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REIHE SEEFAHRER-FRIEDHÖFE

Der Friedhof in Nebel auf Amrum

In Stein gemeißelte Biographien

St. Clemens Kirche, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

Kirche St. Clemens in Nebel (im 13. Jahrhundert dem Schutzheiligen der Seefahrer gewidmet); davor: der moderne Teil des Kirchhofs

Friedhofsgeschichte

 

Seit dem 17. Jahrhundert wurden im Kirchhof die Insulaner beigesetzt, von denen viele

»ihr Brot auf der See suchten«. Die teilweise beidseitig bearbeiteten Grabgrabsteine sind

reich verziert und zeigen häufig Flachreliefs mit Segelschiffen.

 

Diese Grabsteine zählen zusammen mit den Grabreliefs auf der Nachbarinsel Föhr zu den eindrucksvollsten Zeugnissen der norddeutschen Seefahrermentalität. Die kunstfertigen

Inschriften berichten über das waghalsige und entbehrungsvolle Leben der Seefahrer im

Dienste fremder Reeder. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert heuerten sie auf

Walfangschiffen nach Grönland an oder auf Handelsschiffen in Binnengewässern.

Weibliche Inselbiographien im 17. und 18. Jahrhundert

Weibliche Inselbiographien im 17. und 18. Jahrhundert, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

Pop PEETERS (1670 - 1745)

»Hier liegt begraben

(...) Pop Peetersz (...)

ihres Alters 75 Jahr

hir ruhet in Gott fein

die Mutter

von sieben Kinderlein

welches sind sechs Söhn

mit ein Töchterlein

die jetztund noch al

im Leben sein.«

 

Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit wurden alle sieben die Mutter überlebenden Kinder

als besonderer Umstand auf dem Grabzeichen eingetragen.

Weibliche Inselbiographien im 17. und 18. Jahrhundert, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

Anna TÜCKES (1719 - 1779)

»Hier ruhen die Gebeine der

tugendhaften seligen Frauen

Anna Tückes

aus Süddorf, welche Ao. 1719

den 27. May in Norddorf

gebohren ward. Ao 1743 trat sie

im Stande der heiligen Ehe mit dem

Schiffer Tücke Knudten,

und hat mit demselben 20 Jahre

in einer vergnügten Ehe gelebet, in

welcher Zeit sie auch mit 3 Söhne

und 2 Töchtern von Gott ist geseg-

net worden. Ao. 1763, den 30. Dez.

litt sie das harte Schicksahl, dass

ihr Ehemann durch einen unge-

häuren Wellen aus seinen Schiffe

geschlagen ward und auf dem Meere

verunglückte.«

Im Dienste der Kirche: eine der wenigen vom Meer unabhängigen Lebensentwürfe

Küster, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

Harcke KNUDTEN (1709 - 1775)

»Ich habe gesungen von der Gnade des Herrn mein Leben lang«

 

»Hierneben ruhen

die Gebeine des seel. Küster

Harcke Knudten

geboren 1709 d. 22. Novbr. wurde als Küster

allhier erwehlet 1736, im Jahr 1737 trat er in

den Stand der heiligen Ehe mit der nach-

lebende Mattje Harcken womit er

8 Kinder gezeugt hat, wovon noch 3 im

Leben sind (...)«

 

»Mir ist ein neu Lied in meinen Munde gegeben

zu singen unseren Gott ewiglich.«

Seefahrerbiographien - über vier Jahrhunderte 1678 - 1929

Seefahrerbiographien - über vier Jahrhunderte 1678 - 1929, Weibliche Inselbiographien im 17. und 18. Jahrhundert, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

17. Jahrhundert: Rückseite des Grabsteins Andreas FINK (1678 - 1738);

die Lebensdaten seiner Ehefrau Marret sind trotz überlebender Nachkommen

nicht hinzugefügt worden

»Vor Schiffer hab ich gefahren

viel Jahr und lange Zeit

mit Volck, auch Kaufmanns-Waren

auf der Elb, Weser und Anderwelt

dabey auch ausgestanden

viel Sorge Tag und Nacht

in See uns auch auf Stranden

zur Ruh mich Gott hat bracht

Andreas Fink

Ao. 1740«

Seefahrerbiographien, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

18. Jahrhundert: Knudt WÖGENS (1696 - 1758)

»Knudt Wögens (...)

zur Zee hat er gefahren 32 Jaahren

wovon er die letzten 10 Jaahren

für Commandeur von Hamburg

gefahren mit dem Schif

De Gegroonte Hoop (...)«

 

W. stammte aus einer Familie, in der alle drei Söhne auf Walfang fuhren, seine beiden Brüder kamen 35- und 48-jährig im Eismeer um. W. erbeutete insgesamt 30 Wale.

Seefahrerbiographien, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

19. Jahrhundert: Harck NICKELSEN (1706 - 1770)

»(...) durch Kreuz und Leiden, zur Himmelsfreuden«

 

»Neben diesen Stein

modern die Gebeine des wohledlen seel.

Hr. Captains

Harck Nickelsen

er ward geboren d. 12. Oct. 1706 zu eben

der Zeit wie sein Vater auf dem Meer

verunglückte. Im 12ten Jahre seines Alters

fing er an sein Brodt bey der Schiffahrt

zu suchen. Ao 1724 erlitt er die Wieder-

wärtigkeit, von den türckischen Seeräubern

gefangen und an den Bey von Algier

verkauft zu werden, welchem er 3 Jahre diente,

nach welcher Zeit er ihm aus Güte seine Frei-

heit durch die Portugiesen erkaufen ließ,

suchte nachgehends in Holland und Copenhagen

sein Glück, am letzten Ort gelang es ihm,

als Capitain ein Schiff auf Westindien

und der Küste von Guinea zu führen.«

Seefahrerbiographien, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

20. Jahrhundert: Wilhelm TÖNISSEN (1881 - 1929)

»Christ Kyrie, Komm zu uns auf die See«

 

»Hier ruhet

Kapitän Wilhelm Tönissen (...)

Mit 15 Jahren zur See gekommen, führte er

seit seinem 27. Lebensjahre die Viermastbark

Kurt nach der Westküste Südamerikas, nach

Mexiko und Australien. 1916 im grossen Kriege

nahmen ihm die Nordamerikaner das Schiff und

behielten ihn in Haft. 1919 kehrte er heim nach

Nebel zu seiner Gattin Georgine geb. Simons

mit der er seit 1904 in glücklicher Ehe lebte und

5 Kinder hatte, (...). Er wirkte

bis zu seinem plötzlichem Tod fröhlich mit Liebe

für Familie und Insel. (...)«

 

T. war einer der letzten großen Kapitäne von Amrum - wenn auch der Epoche der Grönlandfahrten zeitlich längst entrückt. Er umrundete das schwer schiffbare Kap Horn auf dem Seeweg nach Südamerika und brachte Weizen aus Australien und den USA, wo er 1914 vom Ausbruch des ersten Weltkrieges überrascht wurde. Erst 1919 wurde er aus der Haft entlassen und durfte

nach Amrum zurückkehren.

Impression, Friedhof Nebel auf Amrum
Friedhof Nebel auf Amrum

Schlussimpression: Blick über die »sprechenden Grabsteine« aus dem

17. und 18. Jahrhundert im historischen Teil des Kirchhofs