Auf jüdischen Friedhöfen zeugt ein stärker einheitlich wirkender
Gesamteindruck vom grundlegenden Gedanken der Gleichheit aller
Verstorbenen im Tode. Erst bei genauerem Hinsehen werden die
immer schon vorhandenen Unterschiede, Moden etc. sichtbar.
Mit der jüdischen Reformbewegung ab dem 19. Jahrhundert fließen in
Europa zunehmend fremde Einflüsse in die Grabzeichengestaltung mit
ein. Durch Anpassung an die Lebensumstände und kulturellen Riten des
jeweiligen Landes (in Deutschland, insbesondere unter Bezugnahme auf
christliche Totenrituale) bei gleichzeitiger Emanzipation von der eigenen
Tradition, kommt der freien Gestaltung mehr Raum zu.
Zahlreiche Symbole illustrieren oder ergänzen die Grabinschriften. Viele
Symbole nehmen Bezug auf Beruf/Ehrenamt, Familienname des
Verstorbenen oder besondere Zugehörigkeiten innerhalb des Judentums.
Das Priestertum innerhalb des Judentums beruft sich auf die männlichen
Nachkommen Arons. Als Abkömmling des Stammes Arons wird man zum
Priester geboren (Rabbiner wird man kraft Ausbildung und Weihe). Ein
Priester kann ein Rabbiner sein, ein Rabbiner kann - sofern er nicht vom
Geschlecht der Aroniden abstammt, niemals Priester werden.
Auf vielen Friedhöfen besitzen Priester eigene Grabreihen, die besonders
zugänglich gemacht werden, da es Priestern nur im Trauerfall (beim Tod
eines nahen Verwandten/Jahrestag des Todes) gestattet ist, einen
Friedhof zu betreten. Für den neuen Friedhof gab es ursprüngliche Pläne
für eine eigene Priesterabteilung, die aber nicht umgesetzt wurden.
Es existieren diverse Darstellungen des Händesymbols nebeneinander.
Hier: die Hände sind nach oben gerichtet, Daumen, Zeige- und
Mittelfinger sind einander zugewandt, aber nur Daumen und Zeigefinger
berühren sich. Die Bedeutung des Symbols ist auf eine bis heute wichtige
Amtshandlung des Priesters zurück zu führen: in dieser Händehaltung
erteilt der Priester den »aronitischen Segen« über die Gemeinde.
Wie die Priester, haben auch die Leviten ihr eigenes Symbol der
besonderen Zugehörigkeit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft.
Auch das Levitentum ist erblich und kann weder erworben noch
abgelegt werden. In früherer Zeit assistierten im Tempel die Leviten
den Priestern. Der Levite goss das Wasser auf die Hände des
Priesters, bevor dieser die Gemeinde mit ausgebreiteten Händen
segnete.
Das liberale Judentum unterscheidet nicht mehr zwischen den
Zugehörigkeiten kraft Geburt wie Priester, Levite und anderen Juden.
Die Kanne der Leviten kann - wie die segnenden Hände der Priester -
vielfältige Darstellungsformen annehmen. Auf Frauengrabsteinen sind
beide nur sehr selten zu finden.
Der siebenarmige Leuchter ist eine sehr alte symbolische Darstellung
im Judentum, und findet sich bereits auf spätantiken Mosaikböden.
Die Menora(h) war einst das Ewige Licht, das ständig im Tempel
Jerusalems brannte. Auf Grabsteinen könnte das Ewige Licht auch
für das Fortbestehen der Seele stehen.
Bis heute ist der rituelle Leuchter eines der wichtigsten religiösen
Symbole und wurde bei der Gründung Israels in das Staatswappen
aufgenommen.
Die Menora(h), neuere Sektion -
zusammen mit einem Davidsschild
und einer Kanne der Leviten
Ein traditioneller siebenarmiger Leuchter neben einer seltenen
Darstellung eines gebrochenen fünfarmigen Leuchters
Zur Zeit des ausgehenden 7. Jahrhunderts (in Jerusalem wird der erste
Sakralbau des Islam, der Felsendom, errichtet) wird der jüdische Prototyp
des Leuchters mit sieben Lichtern dem christlich-arabischen Verständnis
angeeignet und abgewandelt. Die jüdische Tradition des Leuchters wird
fortgeführt, aber als fünfarmiger Leuchter des »Neuen Zion«.
Das Hexagramm wurde in früheren Zeiten in verschiedenen Kulturen
als magisches Symbol bzw. Ornament verwendet, bevor es als »Davidstern«
zu dem Symbol für das Judentum wurde.
Die jüdische Gemeinde in Prag verwendete erstmals dieses Sternsymbol
auf einer Fahne, das in diesem Zusammenhang keine religiöse Bedeutung
hatte.
Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurde der Davidsschild zu dem
gebräuchlichsten Symbol für das Judentum und fand ab dieser Zeit auch
Eingang auf jüdischen Grabzeichen.
Sterne sind ein beliebtes Motiv auf jüdischen Grabzeichen. In obigem
und im nachfolgenden Beispiel ist der Stern Ornament bzw. allgemeine
Symbolsprache und nicht zu verwechseln mit dem avidschild/Davidsstern.
Beispiel für ein älteres Sternelement auf einem Doppelgrab
(Siebeneck, im Vergleich zum Hexagramm des »Davidsterns«)
Sterne symbolisieren das Licht und werden mit Hoffnung, Zuversicht
und dem Teilsein eines größeren Ganzen, das über den Einzelnen
hinausweist, assoziiert.
Der umgeknickte Baum steht für einen unerwartet (frühen) Tod.
Musikinstrument mit floraler Verzierung (blühende Blumen,
im Gegensatz zu den abgeknickten Blumen, die die gleiche
Bedeutung haben wie der abgeknickte Baum)
Laut Genesis wurden Musikinstrumente zu Beginn der
Menschheitsgeschichte erfunden. Die Ursprünge von Leier/Harfe
führen in das 3. Jahrtausend v. Chr. zu den Sumerern.
Auch König David begleitete sich selbst auf der Harfe. Auf jüdischen
Grabsteinen steht ein Musikinstrument i.d.R. für ein berufständiges
Zeichen, also einen Musiker, Kantor, Theatersänger etc. bzw. seine
Gattin.
Weiteres Beispiel für ein Musikinstrument
mit einem Ausschnitt aus einer Partitur
Im Zuge der Reformbewegung innerhalb des europäischen Judentums
sind Modernisierungen auf Grabsteinen zugelassen worden, von denen
dieses Grabzeichen gleich mehrfach zeugt:
* die Inschrift verzichtet auf hebräische Schriftzeichen;
* die Sterbedaten sind nach weltlicher Zählung eingraviert;
* der Grabstein wurde mit dem Relief einer trauernder Frauengestalt verziert.
Dreisprachiges Grabzeichen für Jacqueline Domberger,
geb. Collombet), Tiersymbol: zwei Tauben (frz.: colombes)
Ab und zu finden sich Tierdarstellungen auf sprechenden Grabzeichen.
Tiere können verschiedenes aussagen, eine Eule kann zum Beispiel
Weisheit symbolisieren, während der Adler für Barmherzigkeit steht
und in einigen Ländern ein gebräuchliches Motiv in Synagogen bzw.
auf rituellen Gegenständen ist.
Oft spielen Tierdarstellungen aber auch direkt auf den Familiennamen
an. Die Taube im Plural, frz. »colombes« verweist klanglich auf den
Mädchennamen der Verstorbenen »Collombet«.
Dem Buch kommt innerhalb des Judentums, auch das »Volk des Buches«
genannt, eine wichtige Bedeutung zu. Den »Buchberufen« wird große
Wertschätzung entgegengebracht, so dass das Buch vor allem als
Berufssymbol Eingang auf jüdischen Friedhöfen gefunden hat.
In obigem Beispiel wirkt das Buch allerdings eher wie ein zierendes
Ornament bzw. das Zitat eines christlichen Grabsteins. Dass dem Buch hier
keine tiefere Bedeutung zu geschrieben werden kann, wird weiter
unterstrichen durch die Verwendung eines sehr gebräuchlichen Grabspruchs
(in Deutschland zählt er mit zu den am häufigsten gewählten Inschriften).
Neben einer traditionell jüdischen Symbolsprache, verweisen auch
etliche Symbole auf die Symbolkultur und Totenrituale des jeweiligen
Landes.
Die Sanduhr symbolisiert nach unserem Verständnis Vergänglichkeit.
Der rinnende Sand steht für die zerrinnende Lebenszeit des Menschen.
Ein stilisierter, kreisrunder aus Blüten zusammengesetzter Kranz
symbolisiert den Kreislauf des ewigen Lebens und steht für die
Hoffnung auf Auferstehung.