Yangon, Myanmar (vor 1989: Rangun, bis 2005 Landeshauptstadt)
Die »Shwedagon«-Pagode: vermutlich im 14. Jahrhundert erbaut, seither ständig erweitert
und ausgeschmückt
Um das goldene Herz Myanmars, das zweifellos der heiligste Ort des Landes ist, ranken sich legendäre Gründungsgeschichten. Die »Shwedagon«-Pagode beheimatet wichtige Reliquien
und ist das Ziel von Pilgerreisen.
Eine Überlieferung reicht sogar über 2.500 Jahre zurück. Im Jahr 588 v. Chr. kehrten zwei Kaufleute nach dem Besuch des historischen Gautama Buddha in Indien, mit acht Barthaaren als Geschenk des Erleuchteten in das heutige Yangon zurück.
Der damalige König ließ daraufhin für diese Reliquien auf einem Hügel nördlich der Stadt eine reich geschmückte Kammer errichten. Diese wurde von einer goldenen Pagode umbaut, die gleich in der Gründungszeit um weitere sieben prächtige Pagodenbauten ergänzt wurde…
Blick vom Nordaufgang: Tempelbauten, Pavillons und kleine Stupas ebnen den Weg
zur goldenen Hauptstupa
Der Begriff Pagode (»heilig«) bezieht sich entweder auf die Gesamtheit einer Tempelanlage
oder die (Haupt-)Stupa.
Eine (Haupt-)Stupa, auch »Buddha-Grabhügel« ist ein zentrischer Bau, in dessen Innerstem
im Idealfall Reliquien aufbewahrt werden, wie ein Haar, Zahn oder Knochen eines Buddha.
In vielen Stupas befinden sich heute allerdings andere sakrale Objekte, wie heilige Schriften
oder figürliche Darstellungen. Das Innere einer Stupa ist auch für Gläubige normalerweise nicht zugänglich.
Im Idealfall bergen auch die kleinen goldenen Stupas, die häufig eine Pagode säumen,
in ihrem Inneren heilige Objekte.
Die weiße Marmor-Fläche um die goldene Hauptstupa ist rund 60.000 Quadratmeter
groß und wird von Tempelbauten, Gebetshallen, Pavillons und kleinen Stupas gesäumt
In einem buddhistischen Tempel gibt es weitaus weniger Verhaltensregeln als an christlichen
oder jüdischen geweihten Orten. Einen Tempel betritt man barfuss, das ist für alle Besucher verpflichtend, aber keine religiöse Regel, sondern drückt auch in weltlichen Zusammenhängen,
wie etwa beim Betreten eines kleinen Ladengeschäfts, Respekt und Anerkennung vor der
Spähre des Anderen aus.
So wie der Glaube nicht nur in Tempelanlagen gelebt wird - viele Familien besitzen zu Hause
einen kleinen Hausschrein - so wird auch in einer Tempelanlage nicht ausschließlich meditiert.
Tempel sind für Einheimische stark in den Alltag einbezogene Orte des Gebets, aber auch der zwischenmenschlichen Begegnung: hier kommen Freunde und Fremde unter schattenspendenden Pagodendächern zwanglos ins Gespräch, Familien nehmen ein kleines Picknick ein. Und Mönche, die mit einander plaudern oder auf ihrem Smartphone Textnachrichten verschicken, gehören ebenfalls zum Tempelalltag.
Kein Gebäude der pulsierenden Fünf- bis Sechs-Millionen-Metropole überragt das
Symbol für andauerndes Streben nach Vollkommenheit (knapp 100 Meter hoch).
Allein in die»Diamantkugel« im oberen Bereich wurden mehr als 4.000 Edelsteine
eingearbeitet,der Schirm darunter ist mit rund 4.000 Goldglöckchen geschmückt.
Gläubige umschreiten die Stupa dreimal im Uhrzeigersinn. Zum heiligen Inneren wird
normalerweise kein Zutritt gewährt.
Die große Stupa wird von Mönchen täglich begangen, um sie von Vogeldreck zu befreien.
Auch Schadstellen werden laufend ausgebessert, so sollen im Laufe der letzten 500 Jahre
rund 60 Tonnen Blattgold nachträglich aufgetragen worden sein.
Vermutlich zählt die »Shwedagon«-Pagode nicht nur zu den heiligsten Stätten des Buddhismus, sondern auch zu den wertvollsten Pagoden der Welt.
Eine neuerer Pagodenbau auf dem »Shwedagon«-Areal
Der »Shin Upagutta«-Tempel wurde 1994 am Fuße der »Shwedagon«-Pagode ergänzt.
Idyllisch fügt sich die Pagode in die umliegende südtropische Parkanlage ein, die Teil des »Shwedagon«-Komplexes ist.
Auf Stelzen wurde der »Shin Upagutta«-Tempel in einen künstlichen See gebaut
Die »Hsandawtwin« Gebetshalle (im Gedenken an den Brunnen/Quelle, in dem
die Haare eines Buddha gewaschen wurden)
Der Überlieferung nach wurden an diesem Ort in einem Brunnen/Quelle die Haare des Buddha gewaschen. Heute werden seine Haare in einem Reliquienschrein im Innersten und Heiligsten
der nicht zugänglichen goldenen Stupa aufbewahrt.
Der Brunnen wurde nachträglich umbaut, reich geschmückt und ist heute Teil einer Gebetshalle.
Die »Htidaw«-Pagode ist eine der wenigen Pagoden in unmittelbarer Nähe zur goldenen Stupa
und beheimatet eine seltene Buddha-Darstellung aus geschnitztem Holz. Die meisten Buddha-Bilder haben ein goldenes Antlitz.
Hier ist nur das Buddha-Bild heilig, der aufwendig mit Goldornamenten verzierte Podest oder das prächtig ziselierte Eingangsportal sind schmückendes Beiwerk.
Das Nebeneinander, aber auch das gegenseitige sich Bedingen von Buddhismus,
lokaler Naturreligion und Geisterglaube ist freilich fließend
Der Wochentag der eigenen Geburt spielt im Buddhismus eine wichtige Rolle: ihm werden ein spezieller Tagesbuddha, Tierdarstellungen, Gestirne und Charaktereigenschaften zugeordnet.
Der Wochentag der Geburt ist wichtiger als das Datum der Geburt.
Der Verehrungsplatz für die Donnerstagsgeborenen
Gläubige vollziehen hier ihre Rituale: das Übergießen des Tagesbuddha mit Wasser unter Berücksichtigung der Anzahl der eigenen Lebensjahre, die Darbringung von Opfergaben wie
Blumen, kleine Geburtstagskerzen, Räucherstäbchen, grüne Kokosnüsse, grüne Bananen,…
Eine Besonderheit des traditionellen Kalenders in Myanmar ist, dass dieser »acht« Wochentage kennt, einen Mittwoch für die vormittags Geborenen (links: das Tiersymbol ist ein Elefant mit Stoßzähnen) und einen für die nachmittags zur Welt Gekommenen (rechts: das Tiersymbol ist
ein Elefant ohne Stoßzähne).
Unter einer Pappelfeige fand Buddha Erleuchtung. Der Bodhi-Baum ist daher heilig und dient ebenfalls der Verehrung der Gestirne, die dem Wochentag einer Geburt zugeordnet sind.
Die Darstellungsformen variieren, charakteristisch ist die Abbildung des Wochentag-Gestirns,
das auf dem entsprechenden Tiersymbol reitet: vorne im Bild der Posten für Donnerstagsgeborene, deren Gestirn auf einer Ratte reitet; rechts davon: der Abschnitt für die Mittwochnachmittags-Geborenen, zu Erkennen am Gestirn, das auf einem Elefanten ohne Stoßzähne reitet.
Glocken und Klöppel finden sich ebenfalls in jeder Pagode: jeder Besucher ist eingeladen
durch sanfte Schläge auf den Klangkörper, Schall zu erzeugen, der die Luft von ungünstigen Schwingungen reinigt.
Zwei Wächterlöwen sind auf der Glocke angebracht. Häufig sind es Löwen oder Schlangen,
die heilige Objekte bewachen.
Nachmittags finden sich in der Pagode abwechselnd Gruppen von Frauen und Männern ein,
die die weißen Marmorböden um die zentralen Sakralbauten fegen: Fegen gilt als gute Tat.
Am »Medizinbecken« zeigt sich abermals die für Myanmar typische Verbindung von
Buddhismus, Naturreligion und den kulturellen und religiösen Einflüssen Indiens, der
Heimat des historischen Buddha Siddharta Gautama.
Zu Baubeginn der Pagode beteiligten sich Menschen, Nat-Geister und Brahmanen an
ihrer Erschaffung.
Da allen viel abverlangt wurde, verbreiteten sich alsbald Erschöpfungs- und Krankheitszustände,
so dass der damalige König den Bau dieses Beckens veranlasste, das er mit »Medizin«
füllte. Der Überlieferung nach kurierte das Trinken von »Medizinwasser« die Symptome.
West-Eingang der »Shwedagon«-Pagode
Die allgegenwärtigen Wächterlöwen (»Chinthe«), die Heiligtümer bewachen: charakteristisch
sind sie an Pagoden-Eingängen, aber sie wachen auch über Gegenstände, die für spirituelle Handlungen vorgesehen sind.